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DER MONDSTEIN

 

  

An jenem Tag ging ein starker Wind, und es sah aus, als wolle ein Sturm heraufziehen.

Ein kleiner Mann namens Clarin rauchte seine Pfeife vor seiner Haustür, mit zerzausten Haaren.

„Bei diesem Wetter werde ich gleich wieder ins Haus gehn müssen!“ brummte er.

Was er dann eine Weile später auch tat.

Die Windstöße wurden immer heftiger, sodaß Clarin Tür und Fenster abdichten mußte, um sich davor zu schützen.

Er war noch mit einem Fenster beschäftigt, als vom Dach her ein fürchterlicher Lärm zu hören war.

Clarin glaubte, der Himmel sei auf sein Haus gefallen, zumindest der Blitz. Aber nichts dergleichen war geschehen. Eine sehr tiefe Stimme ertönte:

„Macht auf! Macht auf! Ich habe solchen Hunger!“

Clarin wußte vor lauter Aufregung nicht, was er tun sollte: antworten oder so tun, als sei er nicht zu Hause?

Die Stimme wurde lauter und drängender:

„Ich fleh euch an, macht auf! Macht auf!“

Ein Zittern in der Stimme ließ Clarin seine Angst überwinden; vorsichtig schob er den Riegel der Haustür zurück.

Wie verblüfft war er, als er vor sich einen Menschen sah, der mindestens vier Meter groß war, und dessen Schultern ebenso rechtwinklig waren wie sein Haus!

Clarin schrak zurück, dann fing er sich und fragte den Riesen:

„Was ist los? Was tust du hier bei diesem schlimmen Wetter?“

„Ich bin schon seit Monaten auf Wanderschaft, und vor ein paar Tagen habe ich mich verirrt. Seitdem habe ich nichts zu essen gehabt...“

„Nun, ich habe Kartoffeln, Reis und Brot, die kannst du haben. Aber du bist so groß, wie kommst du in mein Haus?“

„Vielleicht auf allen vieren!“

Gesagt getan.

Der Riese, der Nomadin hieß, kroch in das Haus, und nachdem Clarin die Tür wieder verrammelt hatte, brachte er ihm das versprochene Essen.

Nomadin stürzte sich heißhungrig darauf und verschlang es mit ein paar Happen.

Als er satt war, erzählte er Clarin von seinen Abenteuern:

„Sieben Monate und sieben Wochen bin ich schon unterwegs, auf der Suche nach dem Mondstein. Nur der kann meine Frau heilen, und mir bleiben nur noch sieben Tage, um ihn zu finden!“

Neugierig fragte Clarin: „Der Mondstein? Was ist denn das?“

„Das ist ein Zauberstein, den man nur am Gipfel des Dunklen Berges findet. Er besitzt die Macht, die Nebelkrankheit zu heilen, an der meine liebe Frau leidet. Ohne diesen Stein muß meine Frau sterben, und ich auch, denn ihren Tod könnte ich nicht ertragen! Der Zauberer, der mir dieses Heilmittel genannt hat, hat mir sieben Monate und sieben Wochen und sieben Tage Zeit gegeben, es zu finden; danach kann seine Macht mir nicht mehr helfen. Mir bleiben also nur noch sieben Tage...“

Nomadin wischte sich die Tränen aus den Augen.

Clarin fühlte Mitleid mit diesem großen Mann, der halb auf dem Boden seines Hauses lag, und dessen Muskelkraft so gar nicht zu seinem Feingefühl paßte.

„Ich helf dir, wenn du willst. Ich komme mit dir!“

„Das würdest du tun?“

„Gewiß! Seit langem habe ich mein Dorf nicht verlassen, und eine kleine Reise wäre jetzt genau das Richtige!“

„Aber sie kann gefahrvoll sein!“

„Umso besser! Das wird eine Abwechslung in meinem Alltag sein! Die Sache ist beschlossen; morgen brechen wir beide auf!“

Gesagt getan.

 

Am frühen Morgen machten sie sich auf den Weg. Nomadin trug eine schwere Last auf seinen Schultern: Lebensmittel vor allem, und allerlei Sachen wie Kerzen, Seile und Zündhölzer. Clarin hatte nur sich selbst zu tragen und trippelte munter neben seinem neuen Freund einher. Wenn Nomadin einen Schritt machte, mußte der kleine Clarin vier oder fünf mehr machen; und wenn Nomadin nieste, meinte Clarin, seine Ohren wollten davonfliegen. Sie hatten viel zu lachen...

Die ersten drei Tage lang gingen sie übers flache Land. Der Sturm hatte sich gelegt, und eine schüchterne Sonne schien auf die Landschaft.

Clarin und Nomadin lernten einander kennen, indem sie von ihrer Vergangenheit erzählten.

So verschieden ihr Aussehen war, so ähnlich war ihr Wesen.

Beide gingen das Leben von der richtigen Seite an, das heißt von der Sonnenseite. Und die Gläser erschienen ihnen eher halb voll als halb leer.

Das hinderte sie aber nicht daran, auch die andere Seite der Dinge zu kennen, die im Dunkel verborgene.

So gingen und gingen sie dahin.

Bis sie schließlich am Ende des dritten Tages am Fuß des Dunklen Berges ankamen.

 

Am vierten Tag, nachdem sie lange geklettert waren, wurden sie von einem mindestens drei Meter breiten Sturzbach aufgehalten, dessen schäumendes Wasser alles mitriß, was es fassen konnte.

„Da können wir nicht hinüberschwimmen,“ sagte Nomadin. „Wir würden ertrinken.“

„Du hast Recht. Wir müssen eine andere Lösung finden.“

„Ich habs!“ rief Nomadin. „Schau, da drüben ist ein Felsblock am Ufer. Da such ich einen sicheren Halt für meine Füße, dann laß ich mich der Länge nach vornüber fallen und stütz mich mit den Händen am anderen Ufer auf. So bin ich dir eine Brücke, und du kannst auf meinem Rücken hinüber. Auf der anderen Seite angekommen, bindest du ein Seil an einen Baum und an meine Handgelenke, damit ich nicht abrutschen kann. Dann zieh ich mich am andern Ufer hoch.“

Gesagt getan.

Nomadin warf den Rucksack aufs andere Ufer; dann, mit den Füßen auf dem Felsen, ließ er sich wie ein Baum vornüberfallen und bildete so für Clarin einen leicht gewölbten Steg. Ein Seil wurde um einen Stamm gebunden, und bald waren die beiden Gefährten auf der anderen Seite des Sturbaches und lachten herzlich über den Einfall, der ihnen erlaubt hatte, das Schicksal zu überlisten.

Von der Anstrengung ermüdet, legte Nomadin sich nieder und schlief bald ein, und Clarin tat es ihm nach. Beide träumten in dieser Nacht von einer Welt voller Sturzbäche, deren Schäumen laut wie Donner war.

 

Am fünften Tag, nachdem sie lange geklettert waren, standen sie vor einer Feuerwand. Ein Hochwald, der nicht zu umgehen war, brannte lichterloh.

Clarin und Nomadin suchten vergeblich nach einem anderen Weg.

Schon wollten sie aufgeben, als Clarin seinen Freund auf etwas hinwies, das wie ein schwarzes Loch aussah. Sie stellten fest, daß es der Eingang eines Tunnels war, der unter dem brennenden Wald hindurchzuführen schien.

„Nie werde ich durch einen so engen Gang kriechen können!“ murmelte Nomadin.

„Ich bin klein genug,“ sagte Clarin. „Warte hier auf mich; ich will sehn, wohin dieser Gang führt.“

Gesagt getan.

Clarin nahme Zündhölzer und Kerzen und stieg in das schwarze Loch hinab...

Nomadin wartete und ging vor der Feuerwand auf und ab.

Die Sekunden, die Minuten vergingen; das Warten schien kein Ende nehmen zu wollen.

Nomadin begann, sich Sorgen zu machen, als ein dumpfes, immer lauteres Geräusch allmählich das Prasseln des Feuers übertönte.

Dicker schwarzer Rauch stieg in den Himmel, und ein beißender Geruch brachte ihn zum Husten.

Wie versteinert stand Nomadin da und sah, das das Feuer erlosch.

Plötzlich wurde er halb von einer Welle überflutet, deren Kälte ihm in die Knochen fuhr.

Eine Stunde lang rauschte das Wasser den Hang hinab, dann war alles still.

Fort waren Wasser und Feuer. Vor ihm nur verkohlte Stämme. Und um ihn her eine sonderbare Stille.

Da kam Clarin außer Atem herbeigelaufen.

„Am andern Ende des Tunnels, hinter dem brennenden Wald, bin ich auf einen Damm geklettert. Darin waren Schleusen, wohl zum Löschen von Bränden. Ich hab sie geöffnet, und hier bin ich!“

„Bravo, Clarin. Jetzt können wir weitergehn.“

Aber Clarin legte sich erschöpft auf den Boden und schlief sofort ein. Nomadin dachte nach, dann tat er es ihm nach. In dieser Nacht träumten sie nichts.

 

Am sechsten Tag, nachdem sie lange geklettert waren, kamen sie an ein sumpfiges Gelände, das wie ein Schwamm voller Wasser war.

Je weiter sie gingen, umso stickiger wurde die Luft, besonders über dem Boden.

Es war, als sei Nebel aufgestiegen, der immer dichter wurde, je weiter sie hinaufkamen.

Bald klagte Clarin über Halsweh, dann schmerzte seine Brust. Schließlich hauchte er Nomadin zu, er könne nicht mehr atmen.

Nomadin kniete nieder und sagte zu Clarin:

„Steig nur auf meine Schultern!“

Gesagt getan.

Fast vier Meter über dem Boden ließ es sich wieder atmen; Clarin holte tief Luft, und seine Blässe verschwand.

So gelangten sie über diesen übelriechenden Sumpf und betraten bald wieder festen Boden, jenseits von Nebel und Gestank.

Sie atmeten auf und rasteten.

Und auf einmal schien die Sonne und trug sie ins Herz der Träume. Keiner weiß, wovon sie in dieser Nacht täumten.

 

Am siebten Tag, nachdem sie lange geklettert waren, sahen sie endlich den Gipfel des Dunklen Berges.

Er hob sich vor dem Himmel ab wie der Burgfried einer uralten Burg. Drohend stand diese ungeheure finstere Masse am Horizont.

„Jetzt sind wir fast am Ziel,“ keuchte Clarin und ging noch ein bißchen schneller.

„Fast,“ echote Nomadin.

Sie kletterten den immer steileren Abhang hinauf, kamen zum Fuß des Burgturmes aus Felsgestein – und schauten einander an.

„Dieser Fels ist glatter als meine Hand. Wie sollen wir da hinaufkommen?“

„Warte, Nomadin, gehen wir erst einmal drumherum, um zu sehen, ob es nicht einen Weg hinauf gibt.“

Clarins Besonnenheit beruhigte Nomadin, der nicht vor Anstrengung, sondern vor Angst zu schwitzen begonnen hatte.

War die ganze beschwerliche Wanderung umsonst gewesen? Hatten sie die Hindernisse vergeblich überwunden? Nein, das durfte nicht sein.

Während sie den Felsenturm untersuchten, entdeckten sie in einiger Entfernung etwas wie schwarze Linien darauf. Da hatte am Fuß des Felsens Efeu Wurzel geschlagen, und das wuchs, wie durch ein Wunder, den ganzen Turm hinauf.

„Das sieht nicht sehr festaus,“ bemerkte Nomadin und zog daran. „Schau, es ist leicht loszureißen.“

„Natürlich, du selber merkst gar nicht, wie kräftig du ziehst.“

„Aber was sollen wir tun?“

„Nomadin, hör zu, mein Freund: ich bin leicht; der Efeu wird ein so geringes Gewicht wohl tragen können! Wenn nicht,“ fügte Clarin lachend hinzu, „fängst du mich auf!“

„Mir ist nach Spaßen zumute!“ rief Nomadin aus.

„Gut, ich werde vorsichtig sein, mach dir keine Sorgen. Ich klettere los.“

Gesagt getan.

Clarin nahm sein Herz in die Hand, klammerte sich an den Efeu und begann den Aufstieg.

Er kam langsam voran, jedesmal sorgfältig Halt suchend, und er machte sich so leicht wie möglich. Er schien mit dem Efeu zu verschmelzen. Von weitem sah er wie ein Vogel aus.

Endlich, nach langen Minuten, rief Clarin triumphierend:

„Ich bin oben! Ich bin angekommen!“

„Und was siehst du?“ fragte Nomadin.

Nichts als lastende Stille antwortete ihm.

Dann auf einmal:

„Ich hab ihn gefunden! Ich hab ihn gefunden!“

Nomadin hielt den Atem an. Er sah Clarin mit derselben Vorsicht wieder herunterklettern.

Sobald er unten angekommen war, hüpfte Clarin vor Freude in die Luft.

„Schau nur, wie schön er ist!“

Er streckte seine Hand aus, und Nomadin ergriff einen kleinen, schweren und glänzenden Gegenstand.

„Der Mondstein!“ brachte er hervor, von der Aufregung überwältigt. „Der Mondstein!“

„Wir haben es geschafft!“ stammelte Clarin.

„Ja, zu zweit haben wir es geschafft,“ rief Nomadin.

 

Der Rückweg bereitete ihnen keine Schwierigkeiten.

Clarin stieg wieder auf Nomadins Schultern, als die Luft stickig wurde, und Nomadin bildete von neuem eine Brücke über den Sturzbach.

Sie verließen das Gebirge, gingen drei Tage lang durch die Ebene und gelangten zu Clarins Haus.

„Tritt ein, Nomadin, aber stoß nicht mit dem Kopf an!“

Bei diesen Worten lachte Clarin schallend, und Nomadin lachte mit.

      Die beiden Freunde feierten. Sie erzählten sich Geschichten, die jeder von seinem Vater hatte und vom Vater seines Vaters und von noch weiter zurück.

Sie dachten an ihre Reise und ihre Abenteuer und erzählten weiter.

Dann war es Zeit, sich zu trennen.

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll,“ sagte Nomadin. „Dank deiner Hilfe habe ich den Mondstein, und meine Frau wird von der Nebelkrankheit genesen können.“

„Du schuldest mir keinen Dank,“ antwortete Clarin. Du hast mir die Freude am Leben wiedergegeben. Hier wäre ich versauert, ich war nur noch der Schatten meiner selbst. Jetzt fühle ich mich quicklebendig, und ich werde jeden Augenblick nutzen, um auf die Welt zuzugehen.“

„Dann ist ja alles gut,“ stellte Nomadin fest.

Sie umarmten sich.

Dann trennten sie sich.

Aber vorher versprachen der kleine Mann und der Riese einander, ihr Leben lang Freunde zu bleiben.

 

 

Traduction en allemand de Rüdiger Fischer

      © Daniel LEDUC

 

 

 

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